Die Wirtschaft

Die Industrie

Im Südwesten der Stadt lag der 15 Hektar große "Rufferpark", ein bewaldetes Hügelgelände, das Frau Major Kunz geborene Ruffer gestiftet hatte. Die Ruffers aus Goldberg waren während des ganzen 19. Jahrhunderts von großer Bedeutung für die Stadt Liegnitz.

Aufkleber Bügelkoffer Marke "Piast"
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Sie besaßen eine Tuchfabrik und gaben so bis zu 500 Menschen Arbeit. im Jahre 1905 aber hatte die Firma Konkurs gemacht. Bis 1945 war die Textilindustrie ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Genannt sei noch die Wollwarenfabrik "Mercur", die 1926 über 1000 Arbeiter beschäftigte. Die drei großen Maschinenfabriken "Ceres", Gubisch und Teichert gaben zusammen 1500 Arbeitern Lohn. Daneben bestätigten sich wie in allen großen Städten viele mittlere und kleinere Betriebe in verschiedenen Branchen. Nach einer Übersicht des letzten Oberbürgermeisters Werner Elsner gab es 1934 in Liegnitz unter 100 Industriebetrieben: 17 Textilfabriken, 12 Maschinenfabriken, 30 Holzbetriebe.

Hergestellt wurden in Liegnitz landwirtschaftliche Maschinen, Farben, Luxusmöbel, Herrenanzüge, Wolljacken, Hüte, Handschuhe, Ofenkacheln, Kinderwagen, Liköre, Zigarren, Puppen, Lampen, Schuhe und natürlich auch Bier. Sieben Betriebe brachten "Liegnitzer Bomben" auf den deutschen Markt; das ist eine Pfefferkuchenspezialität. Im Jahre 1927 gab es in Liegnitz 16 Banken. Unter den Liegnitzer Betrieben waren selbstverständlich auch jüdische Firmen, wie das Kaufhaus Haurwitz, das Schuhgeschäft Silbermann und viele andere.

Gemüseanbau

Nicht durch seine Geschichte, nicht durch seine Bauten, schon gar nicht durch seine Industrie war Liegnitz fast jedermann im Reich bekannt, nein, es waren die Liegnitzer Gurken. Der fruchtbare Schwarzerdeboden an Katzbach und Schwarzwasser war für dieses Gewächs so gut geeignet, daß die Äcker "Liegnitzer Goldfelder" genannt wurden.

Gurkeneinlegerei und Sauerkohlfabrik G. Sobanski AG
Gurkeneinlegerei und Sauerkohlfabrik G. Sobanski AG

Zwar transportierten die Händler die Früchte, so schnell es die Züge erlaubten, überall in die Großstädte des Reiches, es waren jedoch zu viele, sie mußten verarbeitet, mußten haltbar gemacht werden, und das geschah in den Gurkeneinlegereien. Handelsprodukt waren dabei ursprünglich nicht die delikaten Gewürzgurken in Büchsen oder Gläsern, sondern die "Sauren Gurken" in Fässern.

Aber auch anderes Gemüse wuchs auf den Liegnitzer Feldern. Die Mohrrübe wurde reichlich angebaut. Unter den Zwiebelsorten war die "Liegnitzer Blaßrote" bekannt. Viel Weißkraut wurde angebaut, und daraus wurde natürlich auch Sauerkraut hergestellt. In Liegnitz - das ist schließlich auch Rekord - stand die größte Sauerkrautfabrik Deutschlands. Angebaut wurde auch Blaukraut, Sellerie, Petersilie, Wasserrüben, Kohlrabi, Grünkohl, Spinat und Rettich. Die Gemüseanbaubetriebe in Liegnitz wie in Breslau wurden "Kräutereien" genannt, und die Besitzer derselben hießen "die Kräuter". Ein altes Sprichwort stellte fest: "Wer Kräuter werden will, darf keine Kreuzschmerzen haben."

Die "feineren Gemüse" wurden nicht in den Kräutereien, sondern in Gärtnereien gezogen. Dazu gehörten Spargel, Tomaten, Blumenkohl, Rosenkohl und Melonen. Die Gewürzkräuter - Kümmel, Majoran, Estragon - wurden erst in Gärtnereien, später, als die Konservenindustrie immer größere Mengen verlangte, in Kräutereien gezogen. Nach dem Anbau war die Konservierung von Gemüse ein wesentlicher Wirtschaftszweig der Stadt.

Im Norden reichte der Kreis Liegnitz in die niederschlesische Heide hinein, ansonsten war der Landkreis infolge des fruchtbaren Bodens landwirtschaftlich geprägt mit einer einzigen kleinen Stadt, nämlich Parchwitz, und 85 Dörfern. Mit abnehmender Fläche wurden angebaut: Weizen, Roggen, Kartoffeln, Hafer, Zuckerrüben, Gerste Gemüse. Neben dem Feldbau wurde in wesentlichen geringerem Maße Viehzucht betrieben. Ihre Bedeutung hatte auch die Forstwirtschaft, denn 9 Prozent der Fläche des Kreises waren bewaldet. Wegen des landwirtschaftlichen Umlandes wurde in Liegnitz mit Getreide und Futtermitteln gehandelt

Klaviere

Wenn nun gesagt wird, die Stadt Liegnitz war sogar über Deutschlands Grenzen hinaus in Europa und der ganzen Welt bekannt, so gründet sich diese Behauptung auf seine Klavierindustrie.

Seiler-Klaviere in Liegnitz – ein wohlbekannter Name

Wer von den Liegnitzer Einwohnern erinnert sich nicht an diesen Namen, ja nicht nur in Liegnitz, sondern in Deutschland insgesamt und darüber hinaus in weiten Teilen unserer Welt. So ist es der Bundesgruppe Liegnitz e. V. eine ganz besondere Freude, Ehre und große Dankbarkeit von der Familie Seiler-Dütz und hier konkret von Frau Karin Dütz und ihren Söhnen umfangreiches Material über die bekannte Familie zu bekommen, um es auszuwerten und danach als Bestandteil der ehemaligen Liegnitzer Sammlung Wuppertal in das Eigentum und die Verwendung der Sächsischen Stiftung „Erinnerung, Begegnung, Integration“ in Hoyerswerda-Knappenrode zu geben.
Es sind persönliche Fotos, umfangreiche Unterlagen über die Ahnenforschung, aber vor allem Fotos aus der Firma, von Personen, aus dem Betrieb, von Lageplänen, Briefe des Geschäftsverkehrs, Jubiläumsschriften, Werbungen und vieles mehr.
Aus diesem umfangreichen Material stammt die Auswahl an Text und Bildern . Wir hoffen, dass die Erinnerung an unsere heimische bedeutende Pianoforte-Fabrik Seiler wieder geweckt werden kann.

Pianoforte – Fabrik Seiler

Eduard Seiler (Ed.) wurde am 9. Dezember 1814 in der Stadt Lüben unweit von Liegnitz als Sohn eines Glasermeisters geboren (gestorben am 20.09.1875 in Liegnitz). Er war verheiratet mit Hedwig geb. Seichter, geboren am 27.01.1826 in Illnisch Kreis Neumarkt (gestorben am 24.10.1897 in Liegnitz). Sie hatten 15 Kinder und eines sollte wie der Vater Glaser werden. Aber er war musikalisch, und er war obendrein technisch begabt. Er ging als junger Mann nach Liegnitz, diente hier der Stadtkapelle als Notenschreiber und lernte nebenher das Spielen mehrerer Instrumente und das Stimmen von Klavieren. Mit 23 Jahren richtete er sich 1837 eine Werkstatt zum Stimmen von Klavieren ein.

Im Jahre 1849, als der Klavierbau noch tief in den Kinderschuhen steckte, gründete Eduard Seiler in Liegnitz, Niederschlesien, sein Unternehmendas über Jahrzehnte erfolgreich und weltbekannt wurde.

Zu dieser Zeit konnte nur ein Mann mit Blick für Zukunftsmöglichkeiten die Entwicklung ahnen, die das „Pianoforte“ nehmen würde.

Ed. Seiler ließ seine Instrumente zunächst handwerklich herstellen. Liebevoll beaufsichtigte er das Wachsen jedes einzelnen Stückes, denn er war ein ausgezeichneter Fachmann und Pianist. 1868 schon konnte das 500. Pianoforte die Werkstatt verlassen.

In den darauffolgenden Jahren wurde eine fabrikmäßige Herstellungsmethode entwickelt und dadurch die Leistungsfähigkeit so gesteigert, dass bereits 1870 die Herstellung des 1.000. und 1872 des 2.000. Instruments gemeldet werden konnte.

Das erste Fabrikgebäude auf eigenem Grundstück konnte im März 1874 in Betrieb genommen werden.

Im Jahre 1875 starb Eduard Seiler, seine Tatkraft aber lebte in seinen Nachkommen fort. Schon 1881 bestand die Belegschaft der Fabrik aus 120 Arbeitern. Neue Fabrikgebäude wurden errichtet. Unter der Leitung von Johannes Seiler, August Lauterbach und Oswald Kasig konnte bereits 1881 die Fertigstellung des 8.000. Instruments bekannt gegeben werden.

In einem Bericht der Handelskammer zu Liegnitz über das Jahr 1888 heißt es: „Das Absatzgebiet des Liegnitzer Pianos erstreckt sich weitgehend über alle Länder“.

Durch die besondere Aktivität von August Lauterbach, einem Schwiegersohn von Ed. Seiler, wurde die Fabrik 1896 und 1907 durch Neubauten wiederum vergrößert.

Im Jahre 1923 übernahm ein Schwiegersohn von Johannes Seiler, Anton Dütz, (* 02.02.1889, +16.12.1969) Sohn des Pianofortefabrikanten Anton Dütz sen., Warschau, die Leitung des Werkes. Unter ihm kamen weitere moderne Fabrikneubauten zur Ausführung. Auch ein Konzertsaal wurde geschaffen, der die Firma zum kulturellen Leben ihrer Heimatstadt sehr nahe brachte.

Die Nachfrage steigerte sich weiter und die Fabrikanlage, die nun bereits 10.000 qm Arbeitsfläche und weitere 10.000 qm Holzlagerfläche umfasste, wurde voll ausgenutzt. Bis zu 450 Arbeiter fanden Beschäftigung, und die Leistungsfähigkeit wurde bis zu 3.000 Instrumenten jährlich gesteigert, die mit der Inschrift „Größte Pianofortefabrik Ostdeutschlands“ versehen werden konnten.

Die Krisenjahre 1929 bis 1933 überstand das Werk, als eines von wenigen, ohne schließen zu müssen, um dann in den nachfolgenden Jahren des Aufschwunges weiter Erfolg auf Erfolg zu erringen. Selbst während der furchtbaren Jahre des zweiten Weltkrieges konnte der Kontakt mit den Geschäftsfreunden des Hauses im In- und Ausland durch Lieferungen aufrecht erhalten werden.

Während der ganzen Zeit seiner Tätigkeit als alleiniger Direktor und Mitinhaber der Seilerfabrik betrachtete es Anton Dütz als seine Hauptaufgabe die Fabrik weiter aufzubauen, zu modernisieren und die handwerkliche Präzision und Leitung der Klaviermacher zu steigern, sodass das Werk nicht nur eines der modernsten Produktionsstätten der Branche wurde, sondern bald mit rund 10 Prozent der gesamten deutschen Produktionsleistung eine eindeutig führende Stellung in der Klavierindustrie einnahm.

Die Weltgeltung des Werkes und des Namens war gesichert, doch der Zusammenbruch Deutschlands 1945 setzte der blühenden Liegnitzer Seilerfabrik ein jähes Ende. Liegnitz wurde eine Stadt unter polnischer Verwaltung. Trotzdem plante die Familie Dütz unter größten Entbehrungen einen Wiederaufbau.

1951 gelang es dank der Initiative seines 1. Sohnes, Klavierbauer Steffen Dütz, (* 1923, + 1998) und seiner 1. Ehefrau Birthe Dütz geb. Skov, in Dänemark einige Instrumente Liegnitzer Konstruktion bei den Pianofabrikanten Ernst Hockauf und Alfred Jörgensen zu bauen. Der glückliche Versuch bestimmte, die über 100 jährige Tradition des Hauses Seiler fortzusetzen und bald wurden Seiler-Pianos wieder fabrikationsmäßig hergestellt.

1954 konnte die Fertigstellung des 1.000. Instrumentes in Dänemark gefeiert werden und eine Familien-Aktiengesellschaft wurde durch Steffen Dütz gegründet.

1955 endlich ließen die Devisengesetze eine Verschmelzung des dänischen Zweigunternehmens mit der deutschen Firma zu. Die Familien Steffen und Anton Dütz wählten Nürnberg als neue Heimat.

1962 wurde dann in Kitzingen ein geeignetes Objekt gefunden, was den Vorstellungen vom Start einer Klavierfabrikation entsprach. 1963 konnten von der Klavierfabrik Zeitter & Winkelmann Bestände und Maschinen erworben und zügig mit der Arbeit begonnen werden. 1965 waren inzwischen 70 angelernte Mitarbeiten tätig. 1966 wurde die erste neue Fabrikhalle errichtet, eine Vergrößerung erfolgte dann 1973/74.

So konnten seit 1957 Pianos mit dem bekannten lyrischen Ton auch dem deutschen Publikum in unveränderter Güte wieder angeboten werden.

1978 mit seiner 2. Frau Ursula Dütz, geb. Reinlein erhielt Steffen Dütz die Genehmigung seinen Familiennamen mit Namen "Seiler" entsprechend dem Ursprung und seinem Unternehmen in Kitzingen weiter zu führen.

In der Welt der Musik ist der Name des Gründers und sein Unternehmen zu einem festen Begriff für edle Qualitätsarbeit und technische und kaufmännische Leistung geworden. Mit seinen guten Instrumenten hat sich das Haus Seiler höchste Anerkennung bei allen Fachleuten, Künstlern und Liebhabern errungen.

Treue und Liebe zum Fach, Familientradition und die durch Generationen ererbte Erfahrung im Pianoforte-Handwerk ermöglichten - trotz des Verlusts des heimatlichen Werkes – die erfolgreiche Fortentwicklung des Unternehmens, und klangreiche Seiler-Instrumente werden weiter dazu beitragen, Musizierende in aller Welt glücklich zu machen.

Rechtzeitig zum 13.12.1974 anlässlich des Jubiläum 125 Jahre “Pianofortefabrik Seiler Liegnitz-Kitzingen“, wurde das 100.000 Seiler Instrument fertiggestellt.

Es zeigte, dass die Zeit des Neubeginns in Westdeutschland faire Chancen für längst etablierten Klavierfabrikanten in ihren Aufbaubemühungen bot und der Firma Seiler einen gebührenden Platz in ihrem Kreise eingeräumt wurde.

Ekkehart Dütz, 2. Sohn von Anton und Frieda Dütz hat sein Wissen im Klavierbau, Produktion, Organisation und Vertrieb, einige Jahre erfolgreich in die Firma Seiler in Kitzingen mit eingebracht.

Nach dem Tod von Steffen Seiler 1998 führte nur seine Frau Ursula Seiler die Pianofortefabrik in Kitzingen weiter.

Im Jahr 2008 wurde das Unternehmen an den Koreanische Pianohersteller SAMICK verkauft.

Die Firma SAMICK ist bedacht die Qualität der „Seiler-Pianoforte-Produktion“ weiter den Musikfreunden zu erhalten und dadurch den Namen SEILER nicht vergessen zu lassen.

Auf der Suche nach Erneuerungen im Klavierspiel entdeckte Ekkehart Dütz das Spielsystem "Piano Disc" aus USA . Er übernahm den Europavertrieb und konnte die Branche und das Klavierspiel damit bereichern.

Auf dieser Grundlage hat sein Sohn Andreas Dütz diese Aufgabe übernommen und seine Ideen mit Spezialisten aus Japan und Europa konzipieren können.

Sein Spielsystem "adsilent" ist für Klavier und Flügel mit moderne Feature, wie USB-C, integrierte Bluetooth MIDI, drahtlose Fernbedienung und mit traditionell Klavierklang. Besonders aber, es kann in der Neuproduktion und auch in traditionell ältere Tasteninstrumente eingebaut werden.

Anton und Frieda Dütz wären sicher stolz, dass durch ihren Sohn Ekkehart und Enkel Andreas, die Klaviertradition, wenn auch nicht mehr unter "SEILER" aber in für heutige Zeit moderne Klaviertechnik, weitergeführt wird.

Frieda Dütz, geb. Seiler hat sehr viel Wissen über die Seiler und Dütz Ahnen gesammelt und viele Menschen inspiriert Unterlagen über die Familiengeschichte, Seiler-Arbeitsstätten, Mitarbeiter und Künstler, ihr zuzuschicken. Durch ihre Aufzeichnungen bleibt die traditionsreiche Pianofortefabrik Seiler unvergessen.

Die geschichtlichen Daten, Aufzeichnungen, Bilder und Fotos wurden dankenswerterweise von Karin Dütz nach dem Nachlass von Frieda Dütz geb. Seiler, + 1980 zusammengestellt und der Bundesgruppe Liegnitz, und damit an die "Stiftung Erinnerung, Begegnung, Integration im Freistaat Sachsen", in Hoyerswerda zum erhalt der traditionellen Seilergeschichte geschenkt.

Karin Dütz
Fabrikanlagen

Neben Seiler arbeiteten in Liegnitz noch weitere nicht so große Klavierfabriken. Für das Jahr 1913 wird eine Zahl von zwölf Pianofortefabriken angegeben. Seit 1864 arbeitete die Klaviermanufaktur des Julius Gerstenberger, seit 1871 die von Franz Liehr. Es folgten Eduard Sponnagel (1873) und Karl Fricke (1905). Klaviere wurden damals gut verkauft, denn es war die Zeit, da der gutsituierte Bürger seine Wertschätzung der Bildung auch dadurch ausdrückte, daß er sich ein Klavier ins Haus stellte. Von den drei Klaviaturfabriken zur Herstellung von Tastaturen hatte die Firma Hermann Stamnitz, gegründet 1894, die größte Bedeutung. Im Jahre 1937 wurde deren hunderttausendste Klaviatur an die Klavierfabrik Blüthner in Leipzig ausgeliefert. Wie die Klaviere wurden die Klaviaturen in alle Welt exportiert. Nach Angaben Elsners beschäftigten 1934 die Klavierfabriken 600 Arbeiter.